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Urteil Verwaltungsgericht 3. Kammer (AG - AG WBE.2023.317)

Zusammenfassung des Urteils AG WBE.2023.317: Verwaltungsgericht 3. Kammer

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Beschwerdeführenden aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung des Mammutbaums keinen Entschädigungsanspruch haben. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführenden müssen die verwaltungsgerichtlichen Kosten tragen und der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zahlen. Der Entscheid kann beim Schweizerischen Bundesgericht angefochten werden. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 30. August 2024 entschieden.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AG WBE.2023.317

Kanton:AG
Fallnummer:AG WBE.2023.317
Instanz:Verwaltungsgericht 3. Kammer
Abteilung:-
Verwaltungsgericht 3. Kammer Entscheid AG WBE.2023.317 vom 30.08.2024 (AG)
Datum:30.08.2024
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter: Beschwerde; Entschädigung; Beschwerdeführenden; Mammutbaum; Recht; Immission; Unterschutzstellung; Enteignung; Liegenschaft; Mammutbaums; Immissionen; Entscheid; Verwaltungsgericht; Apos; Einwirkungen; Grenzabstand; Spezialverwaltungsgericht; Verfahren; Höhe; Vorinstanz; Grundstück; Beseitigung; Rechtsprechung; Enteignungen
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 679 ZGB ;Art. 684 ZGB ;Art. 686 ZGB ;Art. 688 ZGB ;Art. 8 ZGB ;Art. 9 BV ;
Referenz BGE:113 Ib 34; 123 II 560; 126 III 452; 129 III 161; 131 II 458; 134 II 164; 142 II 136; 145 I 250;
Kommentar:
-, Basler Bundesverfassung, Art. 26 BV, 2015

Entscheid des Verwaltungsgerichts AG WBE.2023.317

AG WBE.2023.317

WBE.2023.317 / ME / jb (4-EV.2022.4) Art. 86

Urteil vom 30. August 2024 Besetzung

Verwaltungsrichter Michel, Vorsitz Verwaltungsrichter Brandner Verwaltungsrichter Dommann Gerichtsschreiber Meier Rechtspraktikant Müller

Beschwerdeführerin 1

A._____ vertreten durch B._____

Beschwerdeführer 2

B._____

gegen

Beschwerdegegnerin

Einwohnergemeinde Q._____ handelnd durch den Stadtrat vertreten durch lic. iur. Niklaus Brändli, Rechtsanwalt, Hintere Bahnhofstrasse 10, Postfach, 5001 Aarau

Gegenstand

Beschwerdeverfahren betreffend Entschädigungsbegehren Entscheid des Spezialverwaltungsgerichts, Abt. Kausalabgaben und Enteignungen, vom 6. September 2023

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Das Verwaltungsgericht entnimmt den Akten: A. 1. Die Liegenschaft X-Strasse-Strasse (Parzelle Nr. aaa) in Q._____ befindet sich im Eigentum von C._____. Auf dem Grundstück steht ein Mammutbaum (Sequoiadendron), an welchem sich die Eigentümer der Nachbarliegenschaft Y-Strasse-Strasse (Parzelle Nr. bbb), A._____ und B._____, stören. Vor dem Bezirksgericht Baden ist deswegen eine zivilrechtliche Klage auf Beseitigung des Mammutbaums hängig. 2. Der Stadtrat Q._____ stellte mit Beschluss vom 14. März 2022 den Mammutbaum im Rahmen der laufenden Teilrevision der kommunalen Bau- und Nutzungsordnung (BNO) vorsorglich unter Schutz. 3. Mit Schreiben vom 30. Mai 2022 gelangten A._____ und B._____ an den Stadtrat Q._____ und ersuchten darum, die vorsorgliche Unterschutzstellung wiedererwägungsweise aufzuheben. Für den Fall, dass dem Ersuchen nicht stattgegeben werde, stellten sie folgende Anträge: a. Es seien den Gesuchstellern für den Verlust an Wohnnutzungswert ihrer Liegenschaft Y-Strasse-Strasse infolge des widerrechtlichen Mammutbaums ab Mai 2022 bis zum Ablauf der vorläufigen Unterschutzstellung eine monatliche Entschädigung von CHF 500 auszurichten. b. Es sei der Garten der Gesuchsteller mindestens einmal pro Quartal gründlich von dürren Mammutnadeln zu säubern und es sei mindestens einmal pro Jahr der zunächst des Mammutbaums gelegene Dachwasserablauf zu reinigen. c. Es sei mindestens einmal wöchentlich das Trottoir vor den Liegenschaften X-Strasse-Strasse und Y-Strasse-Strasse zu reinigen. d. Es sei die Liegenschaft Y-Strasse-Strasse aus dem Inventar der BNO zu entfernen. e. Es seien die Kosten des Zivilverfahrens betreffend Mammutbaum zu übernehmen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

4. Der Stadtrat Q._____ entschied am 15. August 2022:

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1. Auf das Wiedererwägungsgesuch betreffend den Stadtratsentscheid vom 14. März 2022 i.S. vorsorgliche Unterschutzstellung des Mammutbaums auf der Liegenschaft X-Strasse-Strasse (Parz. aaa), Q._____, wird nicht eingetreten. 2. Das Gesuch betreffend die Entschädigungsforderungen aus der provisorischen Unterschutzstellung wird an das dafür zuständige Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, überwiesen. 3. Es werden keine Verfahrens- und Parteikosten ersetzt.

B. Das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, entschied am 6. September 2023 nach durchgeführtem Augenschein und gescheitertem Vergleichsvorschlag: 1. Das Entschädigungsbegehren wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 2. 2.1 Die Verfahrenskosten, bestehend aus der Staatsgebühr von Fr. 2'500.00, der Kanzleigebühr von Fr. 230.00 und den Auslagen von Fr. 200.00, zusammen Fr. 2'930.00, sind von den Gesuchstellern zu bezahlen. 2.2. Es werden keine Parteikosten ersetzt.

C. 1. Gegen den Entscheid des Spezialverwaltungsgerichts, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, vom 6. September 2023 erhoben A._____ und B._____ mit Eingabe vom 19. September 2023 Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit folgenden Anträgen: 1. Das Urteil 4-EV.2022.4 des Spezialverwaltungsgerichts vom 6. September 2023 sei aufzuheben. 2. Es sei die Einwohnergemeinde Q._____ zu verpflichten, den Beschwerdeführern für den Verlust an Wohnnutzungswert ihrer Liegenschaft Y-Strasse-Strasse infolge des widerrechtlichen Mammutbaums auf der Nachbarparzelle für die Dauer von dessen vorsorglicher Unterschutzstellung mit Wirkung ab 1. Mai 2022 eine monatlich vorschüssig zu bezahlende Entschädigung von CHF 500 zu bezahlen. 3. Es sei die Einwohnergemeinde Q._____ zu verpflichten, für die Dauer der vorsorglichen Unterschutzstellung des widerrechtlichen Mammutbaums mindestens einmal wöchentlich das Trottoir vor den Liegenschaften X-Strasse-Strasse und Y-Strasse-Strasse zu reinigen, einmal pro Quartal den Garten der Beschwerdeführer

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gründlich von dürren Mammutnadeln zu säubern und mindestens einmal im Jahr den zunächst des Mammutbaums gelegenen Dachwasserablauf zu reinigen. 4. Es sei die Einwohnergemeinde zu verpflichten, den Beschwerdeführern die Kosten der durch die vorsorgliche Unterschutzstellung des widerrechtlichen Mammutbaums erzwungenen Sistierung im Zivilverfahren vor Bezirks- und Obergericht im Betrag von CHF 2'780 zu ersetzen und ihnen eine angemessene Entschädigung für die eigenen Bemühungen zu bezahlen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.

2. Das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, nahm am 30. Oktober 2023 Stellung zur Beschwerde. 3. In der Beschwerdeantwort vom 30. November 2023 stellte die Einwohnergemeinde Q._____ folgende Anträge: 1. Die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen. 2. Unter den gesetzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen.

4. Die Beschwerdeführenden hielten in der Replik vom 12. Januar 2024 an ihren Anträgen fest, die Einwohnergemeinde Q._____ in der Duplik vom 7. März 2024 ebenfalls. 5. Die Beschwerdeführenden nahmen in der Eingabe vom 29. April 2024 abschliessend Stellung. 6. Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 30. August 2024 beraten und entschieden.

Das Verwaltungsgericht zieht in Erwägung: I. 1. Das Spezialverwaltungsgericht vollzieht die Vorschriften über die Enteignung (§ 148 Abs. 1 des Gesetzes über Raumentwicklung und Bauwesen vom 19. Januar 1993 [Baugesetz, BauG; SAR 713.100]). Gemäss § 133 Abs. 1 BauG sind unter anderem dingliche Rechte an Grundstücken und daraus hervorgehende Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung.

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Das Spezialverwaltungsgericht hat das Entschädigungsbegehren der Beschwerdeführenden als nachträgliche Forderung bzw. nachträgliches Begehren im Sinne von § 155 BauG entgegengenommen und behandelt (angefochtener Entscheid, Erw. 1.1, 1.3). Der Entscheid darüber unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (§ 54 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 [Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRPG; SAR 271.200]). Das Verwaltungsgericht ist somit zur Beurteilung vorliegender Beschwerde zuständig. 2. Das Spezialverwaltungsgericht hat das Entschädigungsbegehren der Beschwerdeführenden abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist. Damit haben diese ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung der Änderung des angefochtenen Entscheids und sind gemäss § 42 lit. a VRPG zur Beschwerde legitimiert. 3. Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist einzutreten. 4. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die unrichtige unvollständige Feststellung des Sachverhalts sowie Rechtsverletzungen gerügt werden (§ 55 Abs. 1 VRPG). Überschreitung, Unterschreitung und Missbrauch des Ermessens gelten dabei als Rechtsverletzung (vgl. ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, Rz. 442). Die Rüge der Unangemessenheit ist demgegenüber ausgeschlossen (Umkehrschluss aus § 55 Abs. 3 VRPG). II. 1. 1.1. Die Beschwerdeführenden gelangten am 12. März 2021 an den Friedensrichter und verlangten vom Eigentümer der Parzelle Nr. aaa unter anderem die Entfernung des umstrittenen Mammutbaums. Der Friedensrichter stellte am 11. Juni 2021 fest, dass es zu keiner Einigung gekommen war, und erteilte die Klagebewilligung (Beschwerdebeilage 2). Mit Eingabe vom 14. Juli 2021 erhoben die Beschwerdeführenden Klage beim Bezirksgericht Baden und verlangten unter anderem, der Eigentümer der Nachbarliegenschaft sei zu verpflichten, den Mammutbaum in der südöstlichen Ecke seiner Liegenschaft zu entfernen. Mit Verfügung vom 28. März 2022 sistierte der Gerichtspräsident das Verfahren im betreffenden Punkt (Beschwerdebeilage 3). Dagegen erhoben die Beschwerdeführenden mit Eingabe vom 7. April 2022 Beschwerde beim Obergericht, Abteilung Zivilgericht (Beschwerdebeilage 4). Nachdem die vorsorgliche Unterschutzstellung vom 14. März 2022 rechtskräftig geworden war, schrieb das Oberge-

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richt, Abteilung Zivilgericht, die Beschwerde bezüglich der Sistierung am 8. August 2022 als gegenstandslos geworden ab (Beschwerdebeilage 5). Der aktuelle Stand des Verfahrens vor dem Bezirksgericht ist nicht bekannt. Der Gerichtspräsident hielt in der Verfügung vom 28. März 2022 (Beschwerdebeilage 3) aber fest, eine Entfernung des Mammutbaums infolge einer allfälligen Verletzung des Grenzabstands erscheine aufgrund der öffentlich-rechtlichen Unterschutzstellung mutmasslich nicht mehr zulässig (Ziffer 8.2). Daraus kann geschlossen werden, dass die Beschwerdeführenden das Ziel ihrer Klage, den Nachbarn zur Entfernung des Mammutbaums zu verpflichten, aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung vorerst nicht mehr erreichen können. Entsprechend haben sie einstweilen die behaupteten Immissionen, die vom Baum ausgehen, zu dulden. 1.2. Gemäss Art. 26 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) werden Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, voll entschädigt. In ihrer Erscheinung als Wertgarantie gewährleistet die Eigentumsgarantie dem Einzelnen einen vollen Ausgleich für den Wertverlust an Sachen Rechten, der infolge einer Enteignung eines anderen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffs entstanden ist (BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesverfassung, 2015, Art. 26 N. 79). Inhaltlich gleich ausgestaltet ist die Wertgarantie in § 21 Abs. 4 der Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 (KV; SAR 110.00) (KURT EICHENBERGER, Verfassung des Kantons Aargau, Aarau 1986, § 21 N. 19). Nach der Konkretisierung in § 143 Abs. 1 BauG sind alle Nachteile zu entschädigen, die dem Enteigneten aus dem Entzug der Beschränkung seiner Rechte erwachsen (Prinzip der vollen Entschädigung; vgl. RALPH VAN DEN BERGH, in: Kommentar zum Baugesetz des Kantons Aargau, Bern 2013, § 143-145 N. 2). Gemäss § 133 Abs. 1 BauG können mitunter die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung sein. Enteignungsobjekt können sämtliche dinglichen und nachbarrechtlichen Rechte sein, die im Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB; SR 210) in den gemäss Art. 686 ZGB den Kantonen vorbehaltenen privatrechtlichen Bauvorschriften umschrieben sind (BGE 131 II 458,

Erw. 3.1; 128 II 368, Erw. 2.1). Dies trifft auch auf die Einhaltung des Grenzabstands für Bäume in § 73 Abs. 1 lit. d des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 27. Juni 2017 (EG ZGB; SAR 210.300) zu, dessen Regelung Art. 688 ZGB dem kantonalen Recht vorbehält. Erfasst wird weiter das in Art. 679 und 684 ZGB umschriebene Recht des Grundeigentümers, übermässige von benachbarten Grundstücken ausgehende Immissionen abzuwehren. Gehen die betreffenden Einwirkungen von einem Werk aus, das im öffentlichen Interesse liegt und für

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welches dem Werkeigentümer ein Enteignungsrecht zusteht, und können die Immissionen nicht nur mit einem unverhältnismässigen Kostenaufwand vermieden werden, so müssen die Abwehransprüche des Grundeigentümers dem vorrangigen öffentlichen Interesse am Unternehmen weichen (BGE 145 I 250, Erw. 5.2; 123 II 481, Erw. 7a). Die Pflicht zur dauernden Duldung unvermeidbarer Immissionen kommt der zwangsweisen Errichtung einer Dienstbarkeit zulasten des betroffenen privaten Grundstücks (und zugunsten des Immissionen aussendenden Grundstücks) gleich (BGE 123 II 560, Erw. 3; PIERRE TSCHANNEN/MARKUS MÜLLER/ MARKUS KERN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2022, Rz. 1801; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, Rz. 2384). 1.3. Für Fälle, in denen die öffentliche Hand in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in die Rechte eines privaten Grundeigentümers eingegriffen hat, ohne vorweg die entsprechenden Rechte erworben zu haben, eröffnet § 155 BauG die Möglichkeit nachträglicher Begehren (Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 1995, S. 472). Entsprechend setzt die nachträgliche Geltendmachung von Forderungen kein Enteignungsverfahren voraus und genügt dafür die Inanspruchnahme Schädigung (Entscheid des Verwaltungsgerichts WBE.2005.131 vom 25. Januar 2010, Erw. II/3.1; VAN DEN BERGH, a.a.O., Vorbem. zu § 155). Bei einer vorsorglichen Unterschutzstellung, wie sie vorliegend zur Diskussion steht, ist eine nachträgliche Geltendmachung ohne Weiteres zulässig; eine vorgängige Bereinigung der Rechtslage ist hier regelmässig ausgeschlossen, da ansonsten die Unterschutzstellung als solches in Frage gestellt wäre. 1.4. Gemäss § 7 Abs. 3 des Dekrets über den Natur- und Landschaftsschutz vom 26. Februar 1985 (NLD; SAR 785.110) können Naturdenkmäler wie prägende Einzelbäume als Naturobjekte geschützt werden. Eine entsprechende vorsorgliche Unterschutzstellung gemäss § 9 Abs. 1 NLD hat zur Folge, dass der betreffende Baum (vorsorglich) geschützt und in seinem Bestand und Erscheinungsbild erhalten werden muss (§ 4 Abs. 1 NLD). Von der ungeschmälerten Erhaltung darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn übergeordnete Interessen dies erfordern und keine anderen Lösungen möglich sind (§ 4 Abs. 3 NLD). Die Beschwerdeführenden machen geltend, der Grenzabstand

für Bäume gemäss § 73 Abs. 1 lit. d EG ZGB werde nicht eingehalten. Sie stören sich am Schattenwurf des Mammutbaums, an der eingeschränkten Aussicht, an abfallenden Nadeln sowie daran, dass das eigene inventarisierte Haus weniger gut sichtbar sei. Vor Bezirksgericht strengten sie eine Beseitigungsklage gemäss Art. 679 ZGB an (vgl. HEINZ REY/LORENZ STREBEL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 7. Aufl. 2023, Art. 679 N. 15). Die Entfer-

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nung des Mammutbaums ist aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung nicht mehr zulässig (vorne Erw. 1.1). Diese bleibt so lange in Kraft, bis der definitive Erlass sichergestellt ist, längstens aber fünf Jahre (§ 9 Abs. 3 NLD). Derweil werden die Beschwerdeführenden an der Durchsetzung eines allfälligen Beseitigungsanspruchs gehindert. Die Entschädigung der Enteignung von nachbarrechtlichen Abwehransprüchen wird unter anderem geprüft, wenn diese auf die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe zurückzuführen ist (vgl. TSCHANNEN/MÜLLER/KERN, a.a.O., Rz. 1799). Die vorsorgliche Unterschutzstellung erfolgt in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und liegt im Allgemeininteresse. Sie verunmöglicht bis auf Weiteres eine Beseitigung des bestehenden Mammutbaums, wodurch die Beschwerdeführer einstweilen die von ihnen behaupteten Immissionen zu tragen haben. Aufgrund seines Wachstums (vgl. hinten Erw. 6.2) ist sogar mit einer Zunahme der behaupteten Einwirkungen zu rechnen. Folglich ist eine Entschädigungspflicht aus Enteignung zu prüfen. 1.5. Zusammenfassend können die Beschwerdeführenden aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung des Mammutbaums auf dem Nachbargrundstück im Verfahren nach § 155 BauG eine Entschädigung aus Enteignungsrecht geltend machen. Gemäss § 142 Abs. 1 BauG ist die Entschädigung in der Regel in Geld zu entrichten. Eine Sachleistung im Sinne von § 142 Abs. 2 BauG beanspruchen die Beschwerdeführenden nicht. Soweit diese beantragen, die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, das Trottoir vor ihrer Liegenschaft und ihren Garten sowie den Dachwasserablauf periodisch zu reinigen, sieht das BauG keinen entsprechenden Anspruch vor. Begehren Ziffer 3 ist daher bereits aus diesem Grund abzuweisen. Nachfolgend ist zu prüfen, ob den Beschwerdeführenden aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung eine Entschädigung in Form einer Geldleistung zusteht. 2. Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Voraussetzungen für eine Entschädigung seien erfüllt. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt habe, stehe der 20 m hohe Mammutbaum, gemessen ab Stammmitte, 4,5 m von der Grundstücksgrenze entfernt; zudem rage er über die Liegenschaftsgrenze hinaus. Der Grenzabstand von 6 m für Bäume mit einer Höhe von über 12 m (§ 73 Abs. 1 lit. d EG ZGB) werde nicht eingehalten. Daher könne die Beseitigung

des Mammutbaums ­ unabhängig von einer Beeinträchtigung im Sinne von Art. 679/684 ZGB ­ ohne weitere Voraussetzungen und vorbehaltlos verlangt werden. Dies habe die Vorinstanz ausser Acht gelassen, indem sie sich auf nachbarrechtliche Beeinträchti-

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gungen gemäss Art. 679/684 ZGB beschränkt habe. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Lärmimmissionen, die von grossen Werken im öffentlichen Interesse ausgingen, lasse sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Hier gehe es um den Entzug von Aussicht und Licht sowie "um endlosen Reinigungsaufwand zur Beseitigung von Unmengen dürrer Nadeln". Der Stadtrat habe mit der vorsorglichen Unterschutzstellung die bereits eingeleitete Beseitigung des Mammutbaums und der damit verbundenen Beeinträchtigungen verhindert. Die Zivilgerichte könnten einstweilen nicht darüber entscheiden. Ein Entschädigungsanspruch bzw. die mangelnde Voraussehbarkeit von Immissionen dürfe nicht mit der Argumentation verneint werden, die Beschwerdeführenden hätten nicht nachgewiesen, dass sich der Baum im Zeitpunkt des Liegenschaftskaufs (d.h. im Jahre 1994) an einem anderen Platz befunden habe. Es gelte der Grundsatz "negativa non sunt probanda" und eine entsprechende Beweislastumkehr sei nicht vorgesehen. Abgesehen davon sei der Mammutbaum heute ca. 20 m hoch und wachse in den hiesigen Breitengraden 50-100 cm pro Jahr, bis er eine Höhe von 50-60 m erreiche. Infolge Pilzbefalls seien vor ein paar Jahren etwa 3 m der Spitze abgesägt worden. Unter Berücksichtigung dessen sei der Mammutbaum im Jahre 1994 unter 12 m hoch gewesen. Ein Baum mit einer solchen Grösse nehme weder Licht noch Aussicht und störe nicht durch ständigen Nadelfall. 3. Die Vorinstanz erwog, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gälten Immission nur dann als übermässig im Sinne von Art. 684 ZGB, wenn sie für den Grundeigentümer nicht voraussehbar gewesen seien, ihn in spezieller Weise träfen und einen schweren Schaden verursachten; für eine Ersatzpflicht müssten diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (angefochtener Entscheid, Erw. 4.2). Der Mammutbaum habe eine Höhe von 20 m und weise gemessen ab Stockmitte einen Grenzabstand von rund 4,5 m zum Grundstück der Beschwerdeführenden auf. Der Grenzabstand von 6 m für Bäume mit einer Höhe von über 12 m (§ 73 Abs. 1 lit. d EG ZGB) werde damit um 1,5 m unterschritten. Die Zivilgerichte müssten über einen Beseitigungsanspruch entscheiden (angefochtener Entscheid, Erw. 4.5.1). In Bezug auf die Entschädigung stelle sich die Frage, ob die Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit der Immissionen erfüllt

sei. Analog der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Fluglärm dürfe den Beschwerdeführenden dafür das Vorhandensein des Mammutbaums im Unterabstand zur Parzellengrenze im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs nicht bekannt gewesen sein. Der Mammutbaum befinde sich unbestrittenermassen seit dem Jahr 1972 auf dem Nachbargrundstück und die Beschwerdeführenden hätten die Liegenschaft im August 1994 gekauft. Die Behauptung, dass sich der Baum damals an einer anderen Stelle hinter dem Haus befunden hätte und später versetzt worden sei, hätten die Beschwerdeführenden nicht belegen können. Entsprechend der Regel von Art. 8 ZGB seien sie dafür beweisbelastet. Es sei nicht erstellt, dass die

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Beschwerdeführenden die durch den Mammutbaum verursachten Immissionen im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs nicht hätten vorhersehen können. Auch hätten sie den Baum während sehr langer Zeit geduldet und keinen Beseitigungsanspruch geltend gemacht. Die betreffenden Immissionen seien im Jahre 1994 vorhersehbar gewesen (angefochtener Entscheid, Erw. 5). 4. Die Beschwerdegegnerin führt aus, für eine Entschädigung aufgrund der provisorischen Unterschutzstellung gälten die Voraussetzungen der Unvorhersehbarkeit, Spezialität und Schwere. Die vorübergehende Unterschutzstellung des Mammutbaums werde mit dem definitiven Entscheid dahinfallen und gemäss § 9 Abs. 3 NLD längstens fünf Jahre dauern. Die Vorinstanz habe das Kriterium der Unvorhersehbarkeit zu Recht verneint. Dafür sei entscheidend, ob sich der Baum zum Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs im Jahre 1994 bereits am jetzigen Standort befunden habe. Ein Mammutbaum lasse sich nicht ohne Weiteres versetzen. Gemäss dem AGIS-Luftbild habe er sich bereits im Jahr 1998 in der Südostecke des Nachbargrundstücks befunden. Die beweisbelasteten Beschwerdeführenden hätten den Beweis für ihre entsprechende Behauptung nicht erbracht. Auch die Kriterien der Spezialität und Schwere lägen nicht vor. Der Mammutbaum befinde sich nord-östlich der Parzelle der Beschwerdeführenden und damit hinsichtlich der Besonnung am vorteilhaftesten Standort. Die Beeinträchtigung der Aussicht gelte nur in Ausnahmefällen als übermässige negative Immission. Eine allfällige Beeinträchtigung durch Nadelfall erreiche nicht jene Intensität, welche die Rechtsprechung voraussetze. Die Beschwerdeführenden könnten ihre Liegenschaft uneingeschränkt nutzen und deren Wert werde nicht beeinträchtigt (Beschwerdeantwort, S. 9 ff.; Duplik, S. 2 ff.). 5. 5.1. Übermässig und verboten sind nach Art. 684 ZGB namentlich schädliche und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigte Einwirkungen durch den Entzug von Besonnung Tageslicht. Bei Schädigung durch Überschreitung der Rechte als Grundeigentümer kann gemäss Art. 679 Abs. 1 ZGB unter anderem auf Beseitigung geklagt werden. Die Beurteilung entsprechender Ansprüche obliegt der Zivilgerichtsbarkeit. Nach der enteignungsrechtlichen Praxis zu Lärmimmissionen aus öffentlichen Verkehrsanlagen gelten

Einwirkungen abweichend vom Nachbarrecht im Allgemeinen nur dann als übermässig und begründen nur dann eine Entschädigungspflicht, wenn sie ­ kumulativ ­ für den Grundeigentümer nicht vorhersehbar waren, ihn in spezieller Weise treffen (sog. Spezialität) und einen schweren Schaden verursachen (BGE 145 I 250, Erw. 5.2;

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142 II 136, Erw. 2.1; 136 II 263, Erw. 7; TSCHANNEN/MÜLLER/KERN, a.a.O., Rz. 1802). Diese Anforderungen gelten darüber hinaus für sämtliche nicht zu vermeidenden Immissionen im Sinne von Art. 684 ZGB, die von einem Werk ausgehen, das im öffentlichen Interesse liegt (bezüglich ideeller Immissionen vgl. BGE 145 I 250, Erw. 5.3). Neben der Lärmbelastung durch Flugverkehr (BGE 142 II 136; 136 II 263), Strassen (BGE 123 II 560) und Bahnanlagen (BGE 113 Ib 34) betrifft die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Enteignung von Nachbarrechten etwa Immissionen aus dem Betrieb eines Asylzentrums (BGE 145 I 250). 5.2. 5.2.1. Die Beschwerdeführenden machen geltend, die genannten Entschädigungsvoraussetzungen gelangten nicht zur Anwendung, wenn sie wie vorliegend an der Durchsetzung des Grenzabstands für Bäume (§ 73 Abs. 1 lit. d EG ZGB) gehindert würden. 5.2.2. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können die gemäss Art. 686 ZGB der kantonalen Gesetzgebung vorbehaltenen Abwehrrechte Gegenstand der Enteignung sein. Dies betrifft insbesondere kantonal(privat)rechtliche Abstandsvorschriften für Bauten (BGE 131 II 458, Erw. 3.1). Analog müssen auch Ansprüche auf Einhaltung von Pflanzabständen enteignet werden können. Was die für Pflanzungen einzuhaltenden Abstände anbelangt, sieht das Bundesrecht keine Regelung vor, sondern hat diese Befugnis in Art. 688 ZGB den Kantonen übertragen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedeutet dieser Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts nicht, dass im Zusammenhang mit Pflanzungen das bundesrechtliche Nachbarrecht generell ausgeschlossen ist und Art. 679/684 ZGB nicht zur Anwendung gelangt. Das Bundesgericht erkannte dem bundesrechtlichen Immissionsschutz die Bedeutung einer Minimalgarantie zu und stellte zugleich klar, dass die Beseitigung von Pflanzen, welche kantonalrechtliche Abstände nicht einhalten, im zivilrechtlichen Verfahren vorbehaltlos, d.h. ohne Nachweis übermässiger Einwirkungen, verlangt werden kann (BGE 126 III 452, Erw. 3; vgl. auch BGE 129 III 161, Erw. 2.5). Nach dem Willen des kantonalen Gesetzgebers handelt es sich bei den in § 73 Abs. 1 EG ZGB geregelten Pflanzabständen um dispositives Recht, wovon benachbarte Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer vertraglich abweichen können (vgl. Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat

vom 22. Juni 2016, EG ZGB, Bericht und Entwurf zur 1. Beratung [Botschaft 1 EG ZGB], 16.136, S. 31, 33). Der Grenzabstand von 6 m für hochstämmige Bäume über 12 m Höhe wie etwa Tannen wurde im totalrevidierten Gesetz vom 27. Juni 2017 (in Kraft getreten am 1. Januar 2018) beibehalten (Botschaft 1 EG ZGB, S. 34). Nach der publizierten Rechtsprechung des Obergerichts ist die Höhe der Bäume entscheidend, da diese massge-

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bend für Lichtentzug, Aussicht, Schattenwurf, das Übergreifen von Wurzeln und Ästen sowie ähnliche Beeinträchtigungen sei; der Zweck der gesetzlichen Abstandsvorschriften bestehe darin, dass höhere Pflanzen mit Rücksicht auf ihre störenden Einwirkungen grössere Abstände zum Nachbargrundstück einhalten müssten (AGVE 2001, S. 37; 1988, S. 24). Der kantonale Gesetzgeber nahm beim Erlass des EG ZGB darauf Bezug und folgerte, es genüge für die Einhaltung des Grenzabstands, Pflanzen unter der Schere zu halten (Botschaft 1 EG ZGB, S. 34). 5.2.3. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz weist der Mammutbaum eine Höhe von ca. 20 m und ­ gemessen ab der Stockmitte ­ einen Grenzabstand von rund 4,5 m auf (angefochtener Entscheid, Erw. 4.5.1; act. 30). § 73 Abs. 1 lit. d EG ZGB schreibt für Bäume mit einer Höhe von über 12 m einen Grenzabstand von 6 m vor. Zur Parzelle der Beschwerdeführenden wird dieser somit unterschritten. 5.2.4. Fraglich ist unter diesen Umständen, ob die Vorinstanz für eine Entschädigung zu Recht die mangelnde Vorhersehbarkeit, Spezialität und Schwere der Schädigung voraussetzte. Diese Anforderungen sind auf Immissionen zugeschnitten, die aus der Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe herrühren. Die Einhaltung der kantonal-rechtlichen Pflanzabstände bezweckt zwar die Verhinderung von Immissionen wie den Entzug von Licht und Aussicht, Schattenwurf, Übergreifen von Ästen Beeinträchtigungen infolge Nadelfalls. Die Pflanzabstände können im zivilrechtlichen Verfahren aber unabhängig davon durchgesetzt werden, ob vom Mammutbaum entsprechende übermässige Einwirkungen im Sinne von Art. 684 Abs. 1 ZGB ausgehen (vgl. vorne Erw. 5.2.2). Unabhängig von dieser Ausgangslage rechtfertigt es sich, die Entschädigungsvoraussetzungen für Immissionen, die von einem öffentlichen Werk ausgehen, analog anzuwenden. Im Nachbarrecht ist für die Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Immission grundsätzlich die Intensität der Einwirkungen massgebend (BGE 145 I 250, Erw. 5.2), während die Entschädigungspflicht des Gemeinwesens nur entsteht, wenn zusätzlich eine qualifizierte Schädigung vorliegt (vgl. TSCHANNEN/MÜLLER/KERN, a.a.O., Rz. 1802). Dass letztere Voraussetzung entfallen soll, nur weil die Durchsetzung kantonalprivatrechtlicher Abstandsvorschriften keinen Nachweis von Immissionen

voraussetzt, ist nicht einsichtig. An der im Enteignungsrecht geltenden Unterscheidung zwischen entschädigungspflichtigen Eingriffen ins Eigentum, die von erheblicher Tragweite sind, einerseits und entschädigungslos hinzunehmenden Eingriffen andererseits ist festzuhalten.

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Bei länger andauernden, jedoch vorübergehenden übermässigen Beeinträchtigungen aus dem normalen Betrieb eines öffentlichen Werkes sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die gleichen Entschädigungsregeln anzuwenden wie bei der definitiven Enteignung (BGE 134 II 164, Erw. 8.2). Daher sind mögliche Einwirkungen der provisorischen Unterschutzstellung, die gemäss § 9 Abs. 3 NLD immerhin bis zu fünf Jahre andauert, den Entschädigungsvoraussetzungen der mangelnden Voraussehbarkeit, der Spezialität und der Schwere der Schädigung zu unterstellen. 5.2.5. Im Ergebnis kann der Vorinstanz somit gefolgt werden, wenn sie für einen Entschädigungsanspruch die mangelnde Voraussehbarkeit, die Spezialität und die Schwere der Schädigung voraussetzt. Wie das Spezialverwaltungsgericht zu Recht erwog, ist aber in jedem Fall eine Gesamtbetrachtung der massgeblichen Umstände erforderlich (angefochtener Entscheid, Erw. 4.3.2). Eine Verletzung der Begründungspflicht liegt diesbezüglich nicht vor und wird von den Beschwerdeführenden nicht substanziiert dargetan (Replik, S. 3). 6. 6.1. Die Entschädigungsvoraussetzung der mangelnden Voraussehbarkeit setzt voraus, dass die Einwirkungen beim Eigentumserwerb nicht vorausgesehen werden konnten; darum erhält keine Entschädigung, wer beim Kauf eines Grundstücks beim Bau eines Hauses mit den betreffenden Einwirkungen bereits rechnen musste (TSCHANNEN/MÜLLER/KERN, a.a.O., Rz. 1802). 6.2. Die Vorinstanz hat eine Entschädigung mit der Begründung abgelehnt, die Beschwerdeführenden hätten die Einwirkungen auf ihr Grundstück beim Liegenschaftserwerb im Jahr 1994 voraussehen können. Dieser Argumentation kann in dieser Form nicht gefolgt werden: Gemäss den allgemein zugänglichen Informationen im Internet beträgt das Wachstum eines Sequoiadendron giganteum in Europa in den ersten 50 Jahren zwischen 30 und 80 cm bzw. 50 bis 70 cm (vgl. https://www.native-plants.de/1669/mammutbaum; https://www.pflanzenverkauf.ch/artikel/ 4691/sequoiadendron-giganteum [beide zuletzt besucht am 3. Juni 2024]). Unter diesen Umständen kann angenommen werden, dass der Baum im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs die für einen Grenzabstand von 6 m relevante Höhe von 12 m noch nicht erreichte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mittlerweile entfernten Spitze (act. 28). Darauf weisen

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schliesslich die von der Beschwerdegegnerin eingereichten Fotos hin (Duplikbeilagen 2 und 3). Somit ist nicht entscheidrelevant, ob sich der Baum damals bereits an der heutigen Stelle befand; gegebenenfalls war der (der damaligen Höhe entsprechende) Grenzabstand eingehalten. Hinzu kommt, dass die Pflanzabstände nach der Vorstellung des kantonalen Gesetzgebers insbesondere dadurch eingehalten werden können, dass der Baum unter der Schere gehalten wird (vgl. vorne Erw. 5.2.2). Daher überzeugt es nicht, wenn die Vorinstanz den Beschwerdeführenden vorhält, sie hätten das Wachstum des Mammutbaums auf der Nachbarliegenschaft im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs antizipieren müssen. Entscheidend ist indessen Folgendes: Mit der (provisorischen) Unterschutzstellung des Mammutbaums veränderte sich die Ausgangslage dergestalt, dass die Beschwerdeführenden nunmehr an der Durchsetzung nachbarrechtlicher Ansprüche gehindert werden. Mit dieser Anordnung wurden sie mithin in ihren Befugnissen eingeschränkt, zivilrechtlich gegen den Baum vorgehen zu können. Diese Einschränkung ­ und dies allein ist letztlich massgebend ­ war in keiner Art und Weise voraussehbar. 6.3. Die Entschädigungspflicht setzt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung voraus, dass die fraglichen Immissionen eine Intensität erreichen, die das Mass des Üblichen und Zumutbaren übersteigt (Erfordernis der Spezialität); zudem muss die Schädigung der Art, Stärke und Dauer nach übermässig sein (Erfordernis der Schwere des Schadens) (BGE 145 I 250, Erw. 5.2; 145 II 282, Erw. 4.3; TSCHANNEN/MÜLLER/KERN, a.a.O., Rz. 1802). Die Beschwerdeführenden werden durch den Mammutbaum in keiner Art und Weise in der (Wohn-)Nutzung ihrer Liegenschaft eingeschränkt. Die vom Baum ausgehenden Unannehmlichkeiten sind in dieser Hinsicht namentlich nicht mit Lärmimmissionen vergleichbar, welche einen Aufenthalt im Freien im Gebäudeinnern (ganz teilweise) erheblich zu beeinträchtigen vermögen. Was den Schattenwurf auf die Liegenschaft der Beschwerdeführenden anbelangt, fallen die entsprechenden Einwirkungen aufgrund dessen, dass der Baum nord-östlich des Hauses der Beschwerdeführenden liegt, gering aus. Die Beeinträchtigung der Aussicht durch Pflanzen gilt im Nachbarrecht nur in Ausnahmefällen als übermässige negative Immission (REY/STREBEL, a.a.O.,

Art. 684 N. 31). Dies wird etwa angenommen, wenn eine besonders schöne Aussicht in schwerwiegender Weise eingeschränkt wird das Nachbargrundstück aufgrund einer besonderen Nutzungsart auf die Aussicht angewiesen ist, wie dies bei einem Hotelbetrieb der Fall sein kann (Urteile des Bundesgerichts 5D_91/2020 vom 7. September 2020, Erw. 3.1; 5A_415/2008 vom 12. März 2009, Erw. 3.1 mit Hinweis). Ein entsprechender Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Weitere vom Mammutbaum ausgehende Immissionen wären entspre-

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chend dem kantonalen Privatrecht zu tolerieren, würde dieser den Grenzabstand von 6 m einhalten (vgl. vorne Erw. 5.2.2); entsprechend sind übermässige Immissionen im Sinne des Enteignungsrechts grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Pflanzabstand ­ wie vorliegend (vgl. vorne Erw. 5.2.3) ­ eher geringfügig unterschritten wird. Namentlich kann unter diesen Umständen nicht auf eine Unzumutbarkeit von Immissionen aufgrund abfallender Nadeln geschlossen werden. Ausreichend intensive, eine Entschädigungspflicht nach sich ziehende Auswirkungen auf das Grundstück der Beschwerdeführenden liegen demnach nicht vor. Kommt hinzu, dass die Entschädigungspflicht einen Schaden voraussetzt, der eine gewisse Höhe einen gewissen Prozentsatz des Gesamtwerts einer Liegenschaft erreichen muss (vgl. BGE 145 I 250, Erw. 5.2; 134 II 49, Erw. 11). Eine entsprechende Wertminderung, die aufgrund der provisorischen Unterschutzstellung des Baumes entstand, ist nicht ersichtlich, zumal diese längstens während fünf Jahren Bestand haben wird (vgl. vorne Erw. 1.4). 6.4. Somit liegen die Voraussetzungen für eine Entschädigungspflicht nicht vor. Entsprechend haben die Beschwerdeführenden Einwirkungen, die sie auf die provisorische Unterschutzstellung des Mammutbaums zurückführen, entschädigungslos hinzunehmen. 7. 7.1. Die Beschwerdeführenden argumentieren, die Vorinstanz habe "Stück für Stück Wegmarken gesetzt ... in Richtung grundsätzlicher Gutheissung des Entschädigungsbegehrens", damit eine Vertrauensgrundlage geschaffen und anschliessend im Entscheid einen "Gesinnungswandel" vollzogen; dies verletze den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV; § 4 VRPG). Zur überraschenden und zuvor nicht thematisierten Unvorhersehbarkeit der Immissionen hätten sich die Beschwerdeführenden nicht äussern können, wodurch auch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; § 21 Abs. 1 VRPG) missachtet worden sei (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, S. 11). 7.2. Das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, entgegnet, der abgelehnte Einigungsvorschlag mit einer Entschädigung sei unpräjudiziell erfolgt. Daraus könnten die Beschwerdeführenden nichts für sich ableiten. Nach der Ablehnung eines Vergleichsvorschlags würde in allen Streitfragen wieder "bei null" begonnen. Der Beschwerdeführer 2 habe als

Rechtsvertreter die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Entschädigung zu kennen. Er könne dem Gericht nicht vorwerfen, ihn nicht darauf hingewiesen zu haben (Beschwerdeantwort, S. 1).

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7.3. Das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen, unterbreitete den Parteien anlässlich der Augenscheinsverhandlung vom 15. März 2023 einen Einigungsvorschlag, wonach den Beschwerdeführenden für den Wertverlust sowie für Unterhalt und Reinigung ihrer Liegenschaft eine Entschädigung von pauschal Fr. 125.00 pro Monat entrichtet wird (act. 43, 46). Der Gerichtspräsident hielt ausdrücklich fest, dass seine diesbezüglichen Ausführungen "unpräjudiziell" erfolgten (act. 43). Im ausgefertigten schriftlichen Vergleichsvorschlag wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich das Gericht "im Entscheidfall Abweichungen von der vorgeschlagenen Lösung in jeglicher Richtung vorbehält" (act. 46). Der Einigungsvorschlag wurde schliesslich von der Beschwerdegegnerin abgelehnt (act. 48). Es ist üblich, gerichtliche Vergleichsvorschläge den Parteien unpräjudiziell zu unterbreiten; diese können das Gericht im Falle des Scheiterns daher nicht binden. Eine einvernehmliche Konfliktbeilegung ermöglicht mithin, von starren Anspruchsvoraussetzungen abzuweichen und darüber hinaus weitere Aspekte einzubeziehen und zu berücksichtigen. Entsprechend bildet der anlässlich der Augenscheinsverhandlung vom 15. März 2023 unterbreitete Vergleichsvorschlag keine Vertrauensgrundlage, worauf sich die Beschwerdeführenden im Hinblick auf die Anspruchsbeurteilung berufen konnten. Dieses Vorbringen verfängt nicht. Nichts ableiten können die Beschwerdeführenden daraus, dass die Vorinstanz mit Schreiben vom 12. Juli 2023 weitere Angaben zum Standort des Mammutbaums im Jahre 1994 einforderte (Verwaltungsgerichtsbeschwerde, S. 11; Replik, S. 2; act. 63). Entsprechende Beweiserhebungen sind gesetzlich vorgesehen (vgl. § 17 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 VRPG). Die Beschwerdeführenden erachten die Anwendung der Entschädigungsvoraussetzung der fehlenden Voraussehbarkeit durch die Vorinstanz als überraschend. Soweit sie beanstanden, dass ihnen vor dem Erlass des Entscheids erneut hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, Stellung zu nehmen, kann ihnen nicht gefolgt werden. Die Rechtsanwendung, wozu die Anwendung der Entschädigungsvoraussetzungen zählt, erfolgt von Amtes wegen. Dies beinhaltet in Bezug auf den vorliegenden Fall auch eine allfällige analoge Anwendung der Entschädigungsvoraussetzungen für übermässige Immissionen. Damit

mussten die Beschwerdeführenden, die Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt sind, rechnen. Eine Gehörsverletzung ein anderer Verfahrensfehler liegt deswegen nicht vor. 8. Zusammenfassend haben die Beschwerdeführenden aufgrund der vorsorglichen Unterschutzstellung des Mammutbaums keinen Entschädigungsanspruch gegenüber der Beschwerdegegnerin. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.

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Die Durchführung eines Augenscheins ist nicht erforderlich (Eingabe vom 29. April 2024, S. 4); in antizipierter Beweiswürdigung kann darauf verzichtet werden. III. 1. Entsprechend dem Verfahrensausgang haben die Beschwerdeführenden die verwaltungsgerichtlichen Kosten zu tragen (§ 31 Abs. 2 VRPG). Die Staatsgebühr wird unter Berücksichtigung des Zeitaufwands und der Bedeutung der Sache auf Fr. 2'500.00 festgelegt (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 lit. c des Dekrets über die Verfahrenskosten vom 24. November 1987 [Verfahrenskostendekret, VKD; SAR 221.150]). Für die Kanzleigebühr und die Auslagen wird auf §§ 25 ff. VKD verwiesen. 2. Die Beschwerdeführenden haben der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (§ 29 i.V.m. § 32 Abs. 2 VRPG). Die Höhe der Parteientschädigung bestimmt sich nach dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte vom 10. November 1987 (Anwaltstarif, AnwT; SAR 291.150). Der Streitwert entspricht der beanspruchten Entschädigung und beträgt Fr. 32'780.00 (Fr. 500.00 monatlich für Unterhalt und Minderwert der Liegenschaft während fünf Jahren sowie Prozesskoten von Fr. 2'780.00). Für Streitwerte über Fr. 20'000.00 bis Fr. 50'000.00 geht der Rahmen für die Entschädigung von Fr. 1'500.00 bis Fr. 6'000.00 (§ 8a Abs. 1 lit. a Ziff. 2 AnwT). Bedeutung und Aufwand des Falles werden als mittel beurteilt, die Schwierigkeit als überdurchschnittlich (vgl. § 8a Abs. 2 AnwT). Für ein vollständig durchgeführtes Verfahren rechtfertigt sich eine Entschädigung von pauschal Fr. 4'500.00.

Das Verwaltungsgericht erkennt: 1. Die Beschwerde wird abgewiesen. 2. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 2'500.00 sowie der Kanzleigebühr und den Auslagen von Fr. 306.00, gesamthaft Fr. 2'806.00, sind von den Beschwerdeführenden zu bezahlen, unter solidarischer Haftbarkeit.

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3. Die Beschwerdeführenden werden verpflichtet, der Beschwerdegegnerin die vor Verwaltungsgericht entstandenen Parteikosten in Höhe von Fr. 4'500.00 zu ersetzen.

Zustellung an: die Beschwerdeführenden die Beschwerdegegnerin (Vertreter) das Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Kausalabgaben und Enteignungen

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Dieser Entscheid kann wegen Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht, kantonalen verfassungsmässigen Rechten sowie interkantonalem Recht innert 30 Tagen seit der Zustellung mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, angefochten werden. Die Frist steht still vom 7. Tag vor bis und mit 7. Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August und vom 18. Dezember bis und mit 2. Januar. Die unterzeichnete Beschwerde muss das Begehren, wie der Entscheid zu ändern sei, sowie in gedrängter Form die Begründung, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt, mit Angabe der Beweismittel enthalten. Der angefochtene Entscheid und als Beweismittel angerufene Urkunden sind beizulegen (Art. 82 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht [Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110] vom 17. Juni 2005).

Aarau, 30. August 2024 Verwaltungsgericht des Kantons Aargau 3. Kammer Vorsitz: Gerichtsschreiber:

Michel

Meier

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